Freiformschmieden

Durch Verbindungen der Firma zu Partnerbetrieben habe ich einen weiteren interessanten Einblick in das Freiformschmieden als umformenden Prozess erhalten. Das Freiformschmieden ist zeitintensiv und benötigt viel Erfahrung, es ist also teuer. Auf diesem Weg werden fast ausschließlich Einzelstücke und Teile aus dem Kunstschmiedebereich hergestellt. In der kleineren Dimension des manuellen Schmiedens ist die benötigte Ausstattung neben der unglaublichen Anzahl an Hämmern und Zangen auf den ersten Blick relativ überschaubar, das erklärt auch, warum diese Art der Bearbeitung mit eine der ältesten im „Bereich Metall“ ist. Ganz klassisch wird ein Halbzeug, in diesem Fall ein Stück Vierkantstahl, 10 x 10 mm, in einer Esse erwärmt. Die Esse ist hauptsächlich ein Tisch aus Stahlblech, welcher einen Gusseisernen Einsatz hat an dem ein elektrisches Gebläse angeschlossen ist. In diesen vertieftem Einsatz wird ein Feuer mit Steinkohle entzündet, welches von Unten mit dem Gebläse kräftig angefacht wird. Weitere Varianten der Esse werden auch mit einem Gasbrenner betrieben. Entstehender Rauch und Abgase werden dabei über der Esse mit einer Haube zum Schornstein hin abgeführt. Zum Schmieden wichtig ist nicht das Feuer, sondern die Glut. Nach kurzer Zeit wird daher ein Glutbett gezielt zusammengeschoben und der Vierkantstahl darin überwiegend durch die Kontaktwärme bis zur Rotglut gebracht. Zum eigentlichen Umformen werden nun Hämmer, Zangen und der Amboss verwendet. Beim Amboss gibt es regional bedingt verschiedenste Formen, die sich aber im Wesentlichen alle ähnlich sind: Der Amboss besteht aus Guss, hat in der Mitte eine Ebene Fläche („Bahn“) mit einem Loch und links und rechts an den Seiten ein konisch zulaufendes Rund- und Vierkanthorn.
Zum Biegen wird der glühende Stahl mit der Zange bis zur Biegestelle, welche man zuvor mit einem Stift mit Specksteinmiene markiert hat, über ein Horn oder die Bahn hinaus geschoben, anschließend kann man durch präzise Hammerschläge das Biegen durchführen. Wenn man Bahn oder Vierkanthorn aus Auflagefläche wählt erhält man eine winkelige Biegung, für eine runde Biegung nutzt man das runde Horn. Wichtig ist auch die Wahl des richtigen Hammers, um, sofern nicht gewollt, keine „Macken“ in den Werkstoff zuschlagen. Bei der Bearbeitung kann man mit dem bloßen Auge an der Glühfarbe sehen, wie das Metall an Temperatur verliert. Wichtig ist hierbei, dass das Material nicht zu kalt bearbeitet wird und immer wieder im richtigen Moment nachgewärmt wird, um es wieder auf Bearbeitungstemperatur zu bringen.

Neben dem einfachen Biegen gibt es als weitere wesentliche manuelle Bearbeitungsmethoden noch das Stauchen/Strecken, Tordieren, Lochen und Spalten. Beim Stauchen und Strecken wird wie die Bezeichnungen schon vermuten lassen das Materialaufkommen an einer bestimmten Stelle durch gezieltes Umformen verändert. So ist es z.B. möglich, an die Spitze des Vierkantstahles eine Kugel zu formen. Dies geschieht über der Kante der Ambossbahn durch wiederholtes Schlagen und Drehen. Tordiert werden häufig Stäbe z.B. für geschmiedete Gitter: Dabei wird ein Vierkantstab in der Regel nicht an seinen Enden, sondern mittig bis zum Glühen erwärmt. Anschließend wird der nicht glühende Bereich davor fest eingespannt und der Bereich danach mit einem Windeisen ähnlich dem zur Aufnahme von Gewindebohrern gedreht. Maschinell lässt sich das Ganze auch durchführen, für normalen Vierkantstahl gibt es sogenannte Torsionsautomationen. Es entsteht dabei die für Schmiedeeiserne Objekte typische Wendelförmige Struktur.

Beim Lochen macht von einer Art Dorn aus gehärtetem Stahl gebrauch, die durch das glühende Objekt getrieben wird. Hierbei nutzt man in der manuellen Fertigung das Loch im Amboss.
So entstandene Löcher werden z.B. verwendet, um durch Vernietung verschiedene schmiedeeiserne Objekte miteinander zu verbinden. Das Spalten von glühendem Material verhält sich ähnlich zum Lochen, hier wird ein Spaltmeißel durch das Werkstück getrieben.

Neben der manuelle Bearbeitung gibt es auch Schmiedehämmer, die entweder als Federhammer oder aber als Lufthammer den Amboss und den „hangbetätigten“ Hammer ersetzen. Diese Maschinen mit großer Schlagkraft ermöglichen ein schnelleres und kräftesparenderes Arbeiten, wenngleich man sich damit sehr viel Lärm „erkauft“.

Die maschinelle Hämmer im Bereich des Freiformschmiedens dienen also im wesentlichen der Erleichterung der Schmiedearbeit, ersetzen aber nicht die Notwendigkeit von Erfahrung und Können. Genauso wie bei (Hand-)Hammer und Amboss „entweicht“ das glühende Material beim Hämmern zwischen der Berührung durch Hammer in den nicht umschlossenen Bereich. Anders verhält sich das Material beim Gesenkschmieden: Eine Gesenkschmiede ist vom Aufbau her ähnlich dem der Hämmer, mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Betätigung meist vollhydraulisch ähnlich einer Presse erfolgt und das zu schmiedende Material vollständig umschlossen wird. Das Gesenkt ist so gesehen eine zweigeteilte Form, mit dem exakten Abbild des späteren Schmiedeproduktes entspricht. Gesenkgeschmiedet werden hauptsächlich kleine und mittlere Teile der Antriebstechnik, welche man in größeren Stückstahlen wie zum Beispiel im Automobilbau benötigt. Erst bei entsprechender Stückzahl lohnt sich die Verwendung einer Gesenkschmiede, die Herstellung der Gesenke ist kostenintensiv. Derartige Gesenkschmieden bei größeren Betrieben sind in der Regel als Vollautomat ausgeführt. Eingegeben werden hier Halbzeuge, die in der Anlage selbst automatisch erwärmt werden und anschließend dem eigentlichen Schmiedegesenk zugeführt werden. Bei komplexeren Teilen erfolgt außerdem noch ein Vorformen, um eine bessere Masseverteilung für die Bearbeitung im letzten Gesenkt zu erreichen. Solche Automaten übernehmen anschließend in der Regel auch noch das Entgraten der entstandenen Schmiedeteile.
Selbst durchführen könnte ich das manuelle Freiformschmieden, verbunden mit der Erfahrung, dass das Ganze wieder einfacher aussieht, als es ist. Ich habe mich dazu entschieden, zwei Rosenstäbe zu formen, was hauptsächlich das Biegen einer Spirale, das Abtrennen und die Bearbeitung der Spitze bei einem Rundstahl beinhaltete. Erkennbar ist die Form durchaus, ich bin von einer perfekten, runden Spirale aber noch weit entfernt…
Bei allen Schmiedeteilen kann man nach der Bearbeitung noch die gewünschte Härte „einstellen“. Ich konnte hierbei selbst ein paar interessante Versuche mit Rundstahlresten durchführen. Kühlt man ein glühendes Stück Rundstahl sehr schnell durch das Einwerfen in ein Wasserbad ab, hat man eine so höhe Härte erreicht, dass das Stahlstück „brechbar“ wird. Die Härte meines Teststückes war so hart, dass man mit der Feile keine Späne mehr abtragen konnte und sogar kleine Kratzer auf der Feile hinterließ. Der weitere Versuch zur Härte war noch unglaublicher, man konnte mit einem einfachen 200 g Hammer den eingespannten Rundstahl einfach durch Schlagen förmlich Abbrechen. Diese Form des Härtens ist natürlich nicht sinnvoll für die spätere Verwendung der Teile. Daher wird beim klassischen Freiformschmieden meistens zunächst mit einem Medium abgekühlt, dass nicht für eine so schnelle Wärmeableitung wie Wasser sorgt. Zum Einsatz kommen hier meistens verschiedene Öle oder auch einfach Gebläseluft. Der folgende Schritt ist noch viel wichtiger, beim Anlassen der Werkstücke werden diese erneut erwärmt. Die gewünschte Härte stellt man über die Anlasstemperatur ein, also die Temperatur, bis zu der wieder angewärmt wird. Bei normalem Stahl kann man mit einiger Erfahrung die aktuelle Temperatur anhand der Anlassfarbe relativ genau schätzen. Der wiedererwärmte Stahl läuft bei dieser Prozedur sichtbar in verschiedenen Farben an.

 

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